Dynamik, Struktur, Rhythmus: Die Bildwelten von Petra Rös-Nickel muten wie Partituren aus Licht, Farbe und Form an und lassen in ihrer seriellen Orchestrierung etwas Symphonisches durchscheinen. Leuchtende Farbtafeln, die an Barcodes erinnern, beginnen vor dem geistigen Auge des Betrachters zu tanzen, Stäbe formen sich zu einem Ballett aus Linien, Farben und Texturen, was die Strenge der geometrischen Grundformeln in ihren Werken wirkungsvoll aufbricht und eine hohe Sinnlichkeit evoziert.Tatsächlich haftet den Arbeiten etwas Textiles, Haptisches an – was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass Petra Rös-Nickel einen Hintergrund im Bereich Modedesign hat. Wohingegen die Linie als ordnendes Element in ihrem Oeuvre als Verweis auf ihr Architekturstudium interpretiert werden kann.
Der Rückbezug auf geometrische Grundlagen und rein plastische Bausteine aus Form und Farbe weisen Petra Rös-Nickel als Vertreterin der Konkreten Kunst aus; keinem evidenten äußeren Einfluss, keinem Vorbild aus Natur oder Kunstkanon folgend, materialisiert sich hier das Geistige, Innere der Künstlerin, die ihre Ideen aus sich selbst schöpft. Und das Ausreizen der Oberfläche, das Ausloten aller denkbaren Möglichkeiten zum persönlichen Antrieb erklärt.
Unter Verwendung von gemahlenem und gefärbtem Steinmehl schafft die Wahlhamburgerin zunächst eine monochrome Grundfläche, die sie dann – mal konkret, mal frei – schichtweise mit gemalten Elementen aus Ölfarbe versieht. Oft entstehen bereits in diesen ersten Arbeitsschritten Kratzungen und Fissuren, die den skulpturalen Effekt unterstreichen. Erst im letzten Schritt fügt sie Linien ein, um eine suggerierte Ordnung herzustellen und das Prinzip von Serialität zu erzeugen. Für die pudrige Anmutung zeichnen feine, zuvor colorierte Marmorpigmente verantwortlich, die sich unterschiedlich festsaugen und so für eine lebendige Textur sorgen. Abschließend freigekratzte Ölelemente lassen ein Spiel aus glänzenden und matten Partien, Aufschichtungen und Abtragungen sowie Durchdringungen der Oberfläche entstehen, was final Tiefe und Dreidimensionalität schafft.
Das Ergebnis sind sinnliche, nahbare Tableaus, die in ihrer sprichwörtlichen Mustergültigkeit einen starken Designbezug aufweisen und in ihrer Linearität und mit ihren Farbcodes sowohl an Mondrian und Rothko, als in ihrer textilen Ausrichtung an die Bauhauskünstlerin Anni Albers erinnern. Und auch wenn Petra Rös-Nickel ausschließlich ihrem eigenen Impetus, ihrem inneren Ideenkompass folgt, so spiegelt sich die Bauhaus-Philosophie einer Universalkunst, die sich interdisziplinär aus Bildender Kunst, Architektur und Design speist, in ihrem Oeuvre wider.